Teil 4
Was heißt Supranationalität
Due Europäische
Union ist eine supranationale Organisation (siehe Definition Supranationalität). Mit dem Beitritt zur Europäischen
Union[1]
verzichtet ein Staat freiwillig auf erhebliche Teile seiner Souveränität.
Eine supranationale Organisation schafft eine eigene Rechtsordnung, in der EU
ist es das Europarecht, das in der Anwendung sogar Vorrang hat vor dem
nationalen staatlichen Recht.
In den Anfangsjahren
der Gemeinschaft, nur wenige Jahre nach Ende des Weltkriegs, haben die (damals
sechs[2])
Mitgliedstaaten diese Einschränkung klaglos hingenommen, weil sie sich Frieden
in Europa erhofften durch Abschaffung von Teilen der Souveränität der Nationalstaaten.
Außerdem zeugte sie erst nach Jahrzehnten so richtig Wirkung. In den ersten
zwölf Jahren mussten die Regierungen der sechs Staaten alle Beschlüsse
einstimmig fassen, jeder Staat behielt also faktisch das Recht, Nein zu sagen
(Vetorecht), wenn ein Gesetzentwurf ihm nicht passte[3].
Dann aber, und
vor allem nach dem Beitritt vieler Staaten des früheren Ostblocks in den
neunziger Jahren und der Vergrößerung der EU auf 28 und jetzt (nach dem Brexit)
27 Mitgliedstaaten, hatten einige Regierungen Stimmrecht im Rat und im
Europäischen Rat, die nur zögernd auf Hoheitsrechte verzichteten, nachdem sie
erst kurze Zeit zuvor, nach dem Zerfall der Sowjetunion, ihre volle
Souveränität erlangt hatten. Nun knirschte es immer häufiger, wenn einige und
vor allem die Gründerstaaten sowie die Kommission weitergehende Schritte zur
tieferen Integration vorschlugen.
Die
Mitgliedstaaten der EU haben deshalb im Lissabon-Vertrag[4] in
Titel IV EUV die Möglichkeit einer verstärkten Zusammenarbeit einzelner
EU-Staaten eröffnet. Die Verstärkte Zusammenarbeit soll vor allem „die
Verwirklichung der Ziele der Union fördern und ihren Integrationsprozess
stärken[5]“.
EU-Staaten, die daran teilnehmen, können dafür die Organe, Verfahren und
Handlungsinstrumente der EU in Anspruch nehmen. Die Zusammenarbeit beschränkt
sich auf Bereiche, die nicht in die ausschließliche Kompetenz der Union[6]
fallen. Einzelheiten der Verstärkten Zusammenarbeit sind in Titel III AEUV mit
den Artikeln 326 bis 334 geregelt.
[1] Grundsätzlich kann jeder
europäische Staat der EU beitreten (Art. 49 EUV)
[2] Die sechs Gründerstaaten
der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) waren1957: Belgien, die
Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Italien, Luxemburg und die Niederlande
[3] Art. 8 EWG-Vertrag von
1957, in Kraft seit 1958
[4] In Kraft seit 1. 12. 2009
[5] Zitiert nach Art. 20 Abs.
1 Satz 2 EUV
[6] Laut Art. 2AEUV ist die EU
in folgenden Bereichen allein und ausschließlich zuständig:
a) Zollunion,
b) Festlegung der für das Funktionieren des Binnenmarkts erforderlichen
Wettbewerbsregeln,
c) Währungspolitik für die Mitgliedstaaten, deren Währung
der Euro ist,
d) Erhaltung der biologischen Meeresschätze im Rahmen
der gemeinsamen Fischereipolitik,
e) gemeinsame Handelspolitik.
In allen anderen Bereichen teilt die EU ihre Zuständigkeit mit den
Mitgliedstaaten oder sie verbleibt bei ihnen