Fazit 4: Solidarität
Solidarität hat stets zwei Seiten: Einen Leidenden,
der Solidarität in Anspruch nimmt oder Anspruch darauf hat, und einen zweiten,
der Solidarität leistet oder zur Solidarität verpflichtet ist. Solidarität ist
also, wenn sie nicht eine leere Worthülse in Sonntagsreden bleibt, stets mit
einer Transferleistung verbunden, entweder in Finanzmitteln oder in
Sachleistung, wozu auch Arbeitsleistung zu zählen ist.
Unverschlüsselt gesagt, fordert Solidarität von der
gebenden Seite Verzicht. Verzicht ist keine politische Kategorie. Verzicht
gehört im gesellschaftlichen Leben in den Bereich Ethik. Voraussetzung von
solidarischem Handeln ist ein Empfinden von Zusammengehörigkeit, das sich darin
äußert, dass der Einzelne oder Gruppen von Menschen anderen in einer Notlage
Hilfe leisten. Solidarische Hilfe zwischen Menschen ist im Idealfall selbstlos,
sie erwartet keine Gegenleistung. Im Zwischenmenschlichen Bereich bedarf
Solidarität also keiner gesetzlichen Regelung. Das Bürgerliche Gesetzbuch stuft
sie unter sittlichen Pflichten ein. Die durch solidarisches Handeln
übertragenen Werte können nicht zurückgefordert werden, wenn der Leistende
gewusst hat, dass er zur Leistung nicht verpflichtet war.
Das wirft Fragen und Probleme auf im solidarischen
Handeln zwischen Staaten, das zwangsläufig in schriftlicher Form geregelt sein
muss, was dem „normalen“ menschlichen Handeln und Empfinden eigentlich
widerspricht. Im Lissabon-Vertrag taucht der Begriff zwanzigmal auf. Solidarität
ist einer der Werte, auf die die Union sich gründet
Verbindliches Handeln der Mitgliedstaaten fordert
die Solidaritätsklausel in Titel VII AEUV für den Fall, dass ein Mitgliedstaat
von einem Terroranschlag, einer Naturkatastrophe oder einer vom Menschen
verursachten Katastrophe betroffen ist. Dieses Handeln setzt voraus, dass der
betroffene Staat die anderen um Hilfeleistung ersucht
[1] Art 2 EUV
[2] Art. 3 EUV
[3] Art. 21 EUV
[4] Art. 67 AEUV
[5] Art. 222 AEUV
[6] Erklärung Nr. 37 zu Artikel 222 AEUV