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Die EU verstehen (Fortsetzung)

 

Teil 3

Subsidiarität – das schwere S-Wort 

Subsidiarität[1] steht für ein Prinzip, das wunderbar lebensnah und eigentlich recht einfach zu verstehen ist. Es besagt im Grunde, dass man die einzelnen Menschen oder die Familie das tun lassen soll, was sie aus eigener Kraft schaffen, um leben zu können. Niemand sonst soll ihnen hierbei dareinreden oder helfen, wenn sie es nicht wollen. Erst, wenn sie vor Aufgaben stehen, die sie allein nicht mehr bewältigen können, sollen andere sie unterstützen. Das sind in erster Linie Verwandte, und wenn deren Kräfte und Mittel nicht mehr ausreichen, die nächsthöhere Ebene, zum Beispiel die Gemeinde. Und wenn diese ebenso überfordert sein sollte, darf und muss die nächste Ebene einspringen, also beispielsweise der Kreis, dann das Bundesland und zu allerletzt der Staat.
Es ist ein wunderschönes Prinzip – in der Theorie. In der Praxis des Lebensalltags der Menschen von heute und noch mehr des gesellschaftlichen und des politischen Geschehens stellt es sich anders dar. Wenn Hilfe gesetzlich geregelt wird, wird sie zum Anspruch. Andererseits haben die Menschen mehr und mehr das Empfinden, ihnen werde immer mehr vorgeschrieben, was sie zu tun und zu lassen hätten, alles sei bis ins Kleinste geregelt. Und hier kommt wieder die EU ins Spiel: Vom „Moloch Brüssel“ ist die Rede, von einer technokratischen Bürokratie, die fernab von jeder Lebenswirklichkeit den Alltag der Menschen reglementiert und ihnen die Freiheit raubt, selbst zu entscheiden, was gut für sie sei. Berüchtigt sind die Vorschriften über den Krümmungsgrad von Gurken und den Neigungswinkel von Traktorsitzen. Das verleitet dazu, selbst Haarsträubendes zu glauben, wenn behauptet wird, Brüssel habe es erfunden. An anderer Stelle[2] wird mehr darüber zum Besten gegeben.
Im Lissabon-Vertrag[3] ist festgelegt, was in der EU und ihrem Verhältnis zu den Mitgliedstaaten unter Subsidiarität zu verstehen ist[4]. Sinngemäß heißt es dort: Was die Mitgliedstaaten besser machen können, sollen sie machen und nicht die EU. In einem Protokoll[5] zum Lissabon-Vertrag ist näher beschrieben, wie das Subsidiaritätsprinzip eingehalten werden muss: Die Kommission muss bei jedem Gesetzentwurf ausführlich begründen, warum sie der Ansicht ist, dass die EU das Vorhaben besser erledigen kann als die Mitgliedstaaten es könnten. Die Parlamente der Mitgliedstaaten sollen bei jedem Gesetzesvorhaben der EU prüfen, ob das Subsidiaritätsprinzip eingehalten wird. Wenn ein nationales Parlament der Ansicht ist, dies sei nicht der Fall, muss die Kommission erneut prüfen und begründen. Die Parlamente mehrerer Mitgliedstaaten können sogar den Europäische Gerichtshof anrufen und Klage erheben.
Warum eigentlich, so kann man sich fragen, reißt die EU nach Ansicht vieler Kritiker trotzdem Aufgaben an sich, die ihr gar nicht zustehen, deren Lösung Geld kostet und die Bürger verärgert? Mehr noch: Warum können die EU-Staaten nicht verhindern, dass sie von „Brüssel“ immer mehr entmachtet werden, wie einige Mitglieder ihrer Regierungen oder Oppositionsparteien behaupten?


Wir wollen diesen Fragen wieder an einigen Fallbeispielen nachgehen.

 



[1] Subsidiarität (vom lateinischen subsidium = Hilfe, Hilfsmittel, Beistand) ist ein insbesondere in der katholischen Soziallehre sehr altes Prinzip und bedeutet dort „unterstützend und hilfsweise tätig werden.

[2] Siehe ...

[3] In Kraft seit 1. Dezember 2009

[4] In Artikel 5 des Vertrages über die EU heißt es: „Nach dem Subsidiaritätsprinzip wird die Union in den Bereichen, die nicht in ihre ausschließliche Zuständigkeit fallen, nur tätig, sofern und soweit die Ziele der in Betracht gezogenen Maßnahmen von den Mitgliedstaaten weder auf zentraler noch auf regionaler oder lokaler Ebene ausreichend verwirklicht werden können, sondern vielmehr wegen ihres Umfangs oder ihrer Wirkungen

auf Unionsebene besser zu verwirklichen sind.“

[5] Protokoll (Nr. 2) über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit

Beispiele zur Subsidiarität 
1)  Die Angst der  Nationen vor dem Machtverlust
 2)   Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass  (folgt)
 Fazit Subsidiarität (folgt)